Rav Uri Scherki

Zum Gebet - Segen der Väter

Übersetzung: Rafael Plaut

Von der Webseite Kimizion.org



"..der du der Frömmigkeit der Väter gedenkst und einen Erlöser bringst ihren Kindeskindern um deines Namens willen in Liebe. König, Helfer, Retter und Schild! Gesegnet seist du, Ewiger, Schild Awrahams!"

Wir sind nun am Ende des Segensspruchs der Väter angelangt [dem ersten Segensspruch der Schmone-Esre], beim Ausdruck "und einen Erlöser bringst ihren Kindeskindern um deines Namens willen in Liebe". Dieser Ausdruck soll uns verdeutlichen, worin die göttliche Motivation besteht, die Erlösung zu bringen. Vielleicht möge jemand glauben, die Erlösung komme nur, wenn sich das Volk Israel genügend Verdienste erworben hat, und bis dahin wird es eben nicht erlöst. Und so finden wir wirklich im Talmud geschrieben, nämlich die Ansicht Rabbi Eliesers, einer der großen "Tanna'iten" (aus der Periode der Mischna vor etwa 1900 Jahren): Wenn die Israeliten bußfertige Umkehr tun, werden sie erlöst werden, wenn nicht - nicht (Sanhedrin 97b). Diese Lehrmeinung wurde allerdings zugunsten derjenigen von Rabbi Jehoschua verworfen, der sagte: So oder so werden sie erlöst (ebda.). Diese Ansicht finden wir fast 100%ig durch die Verse des Prophetenbuches Jecheskel bestätigt, wo es heißt: "Nicht euretwegen tue ich es, Haus Israel, sondern meines heiligen Namens wegen, den ihr entweiht habt unter den Völkern" (36,22) - die Tatsache an sich, daß die Juden unter die Völker verstreut sind, das ist "eine Entweihung des göttlichen Namens". Demzufolge können wir wohl ein göttliches Interesse an der Erlösung annehmen. Aus diesem Grund haben die Verdienste, oder ein Mangel selbiger, keinen Einfluß auf die generellen Pläne G~ttes; darum sagen wir über den Heiligen, gelobt sei sein Name: "..und einen Erlöser bringst ihren Kindeskindern um deines Namens willen" (s.o.).

In diesem Falle aber müssen wir uns fragen: Wozu strengen wir uns so sehr an im Dienst an G~tt, daß wir unser ganzes Leben lang Gebote erfüllen und Pluspunkte sammeln, um einer guten Beziehung zum Herrn der Welt würdig zu sein? Erklärte Rabbiner A.J.Kuk in seinen Briefen, daß es in der jüdischen Seele zwei Ebenen gibt: eine Ebene, die wir mit "besonderer jüdischer Eigenschaft" (segula) bezeichnen wollen, und diese besondere jüdische Eigenschaft hängt wirklich nicht von unseren Verdiensten ab; gehört sie doch zur Natur des Juden, mit der er geschaffen wurde, eine heilige Natur unserer Seele, so wie alles in dieser Welt eine bestimmte Natur hat. Zusätzlich zu dieser besonderen Eigenschaft gibt es Heiligkeit, die zu uns Kraft unserer freien Entscheidung kommt; sie heißt "Heiligkeit der Entscheidungsfreiheit". Die Kraft der besonderen Eigenschaft ist zwar größer als die der Entscheidungsfreiheit, doch besteht ein fester Bund, daß sich alle Tage dieser Welt die besondere Eigenschaft nur in Maßen offenbart, und dieses Maß wird durch die Entscheidungsfreiheit bestimmt. Das gilt jedoch nicht für das messianische Zeitalter (be'ikweta demeschicha), wenn G~tt die Generation nach ihrer besonderen Eigenschaft beurteilt und nicht nach ihren Entscheidungen. Entsprechend erhalten alle Begriffe wie "Gerechte", "Mittelmäßige" und "Bösewichte", die während aller Generationen anwendbar waren und nach denen die Kinder Israel gerichtet wurden, eine andere Bedeutung, wenn G~tt uns "einen Erlöser bringt um seines Namens willen in Liebe".

Der Segensspruch endet mit: "Gesegnet seist du, Ewiger, Schild Awrahams!". Beschäftigen wir uns aber hier nicht mit dem "Segen der Väter", "G~tt Awrahams, G~tt Jizchaks und G~tt Jakovs"?! Das erklärten die talmudischen Weisen folgendermaßen: Wie G~tt sagte: "Und ich werde dich zu einem großen Volke machen und dich segnen, und groß machen deinen Ruf; und du sollst ein Segen sein" (Gen. 12,2), deutete der Talmud "Und ich werde dich zu einem großen Volke machen" auf "G~tt Awrahams" [in unserem Segensspruch], "dich segnen" auf "G~tt Jizchaks", und "groß machen deinen Ruf" auf "G~tt Jakovs" (Pessachim 117b). Als Awraham hörte, daß man auch sage "G~tt Jizchaks und G~tt Jakovs", war er betrübt. Da sprach G~tt zu ihm: Sorge dich nicht, mit dir schließt man den Segen: "und du sollst ein Segen sein" deutet auf "Gesegnet seist du, Ewiger, Schild Awrahams!". Doch das ist ganz unverständlich. War Awraham etwa auf seine Kinder und Kindeskinder eifersüchtig?! Awraham war doch für seinen ehernen Willen bekannt, jedem Geschöpf dieser Welt zu dessen Vervollkommnung zu verhelfen, ohne Rücksicht auf Herkunft! Als er aber "G~tt Jizchaks und G~tt Jakovs" hörte, wonach G~tt seinen heiligen Namen mit einer bestimmten Nation verknüpft, nämlich der israelitischen und keiner anderen - befürchtete er, daß sein universaler Plan nicht in die Wirklichkeit umgesetzt werden wird. Darauf sprach G~tt zu ihm: "Nur mit dir wird man den Segensspruch schließen". Gerade durch die nationale Absonderung des Volkes Israel im Lande Israel unter Anleitung seiner Tora, genau dadurch wird der große Plan des großen der Größten, unseres Vorvaters Awraham, Wirklichkeit werden. Nicht durch grenzenlosen Kosmopolitismus, sondern durch Konzentration auf die jüdische Nation wird die große universale Vision, "der Schild Awrahams", am Ende Wirklichkeit werden.